The Boss Baby Poster

FILMKRITIK: THE BOSS BABY

Mitarbeiterbewertung – Name: Baby, Boss / Film: 01 / 2017

The Boss Baby muss sich seiner alljährlichen Mitarbeiterbewertung stellen. Lest hier, was Alec Baldwins frühreifer Geschäftsmann gut macht und wo er noch nachbessern sollte.

Sehr geehrter Herr Boss Baby,

mittlerweile haben Sie Ihr erstes Jahr bei Dreamworks gut überstanden. Als wir Sie damals bei Ihrem vorherigen Job als Protagonist des Kinderbuches The Boss Baby sahen, wussten wir, dass in Ihnen eine Menge Potential schlummert. Mit der Verfilmung dieser Geschichte sollten Sie die Grundidee – ein befehlssüchtiges Baby aus Sicht eines älteren Geschwisterteils – ins Bewegtbild übertragen. Unsere finanziellen Ziele haben Sie erfüllt, das steht außer Frage. Um Ihren Job müssen Sie sich also keine Sorgen machen.

Wir bei Dreamworks haben allerdings auch einen künstlerischen und handwerklichen Anspruch an unsere Produkte. Ein Blick auf die Kritikerwertungen bei Metacritic oder Rotten Tomatoes lässt schon erahnen, dass es durchaus Verbesserungspotential gibt. Darauf möchten wir im Folgenden eingehen und analysieren, was Sie bei Ihrem ersten Projekt wirklich gut machten und an welchen Schrauben Sie vielleicht noch drehen könnten. Schließlich soll ihr nächster Film auch bei der Fachpresse ein voller Erfolg werden.

Das fanden wir an The Boss Baby richtig gut

Beginnen wir mit den positiven Aspekten Ihrer Arbeit. Zunächst möchten wir die visuelle Gestaltung von The Boss Baby loben. Vor allem, da Sie sich nicht nur auf die 3D-Kulleraugen-Optik beschränken, die den Großteil des Films ausmacht. Sie gehen gestalterische Experimente ein, welche die Kreativität der Figur Tim wiederspiegeln. Immer wenn er seiner Fantasie freien Lauf lässt, wird dessen Kopfkino für uns sichtbar, was sich in verschiedenen Animationsstilen und Stimmungen wiederspiegelt. Eine tolle Idee! Auch akustisch haben wir nichts zu bemängeln. An den Stimmen von Alec Baldwin als Boss Baby und Tobey Maguire als Erzähler können wir uns nicht satt hören. Auch der erst 14-jährige Miles Bakshi als junger Tim macht seine Sache großartig. Zudem untermalt der Soundtrack von Hans Zimmer und Steve Mazzaro die Geschehnisse stets auf treffende Art und Weise und bietet eine Menge Abwechslung. Audiovisuell sind wir mit dem Ergebnis Ihrer Arbeit also überaus zufrieden.

Tim findet seinen Bruder von Anfang an verdächtig
Tim findet seinen Bruder von Anfang an verdächtig

Kommen wir nun zum Kern des Films, der Handlung. Hier möchten wir hervorheben, wie wunderbar uns die Chemie zwischen Ihnen und Ihrem Partner Tim gefällt. Sowohl als Feinde zu Beginn des Films, als auch als liebevolle Geschwister im späteren Verlauf, funktioniert euer Zusammenspiel und lässt uns jeden Dialog mit Freude mitverfolgen. Auch den Humor finden wir sehr sympathisch, vor allem wenn Sie mit Ihren Sprüchen die internen Abläufe großer Unternehmen parodieren. Besonders Erwachsene, die sich The Boss Baby mit ihren Kindern ansehen, haben daran sicherlich ihre helle Freude.

Das hätten wir uns anders vorgestellt

Leider müssen wir auch auf ein paar Eigenschaften Ihres Films eingehen, die uns nicht ganz so gut gefielen. Zum Beispiel, dass die Eltern der beiden Kinder extrem verantwortungslos sind. Wenn eine Gruppe von Babys ohne Aufsicht frei im Garten herumläuft, während sich die Erwachsenen ins Haus verziehen, dann können wir das entweder als Logikfehler hinnehmen oder uns Mom und Dad als Rabeneltern vorstellen. Da hätten wir uns schon eine plausible Erklärung gewünscht. Warum sind Kinder, die in der Lage sind, bereits an verschluckbaren Kleinteilen zu sterben, ständig allein unterwegs? Letztendlich ist es aber nur eine Kleinigkeit, über die wir gerne hinwegsehen.

Nun kommen wir zu unserem eigentlichen Problem: Die Handlung als Ganzes, die stark beginnt und hohe Erwartungen schürt, aber dann doch abflacht und in typische Genremuster verfällt. Gerade durch die vielen Spielereien mit Tims Fantasie, der akzentuierten Visualisierung dessen Gedanken, war es zu Beginn nicht klar, ob sein kleiner Bruder tatsächlich ein Undercover-Geschäftsmann ist oder er sich das alles nur einbildet. Es wäre allzu verständlich, würde Tim, der zuvor die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern genoss, dieses Privileg bedroht sehen. Seine Ängste auf das junge Geschwisterchen zu projizieren und ihn sich als fiesen Anzugträger vorzustellen, um seine Gefühle zu rechtfertigen, wäre die logische Folge.

The Boss Baby behandelt Tim wie einen Angestellten
Das Baby behandelt Tim wie einen Angestellten

Anfangs glaubten wir, The Boss Baby würde uns die Wahl lassen, ob wir die Geschichte wörtlich nehmen oder sie als Metapher und Produkt von Tims Fantasie verstehen wollen. Doch als dann plötzlich ein fieser Haustierverkäufer mit seinen unsterblichen Hundewelpen ins Bild tritt und jegliche Uneindeutigkeiten aus dem Weg räumt, sind wir bei Gleis 08/15 angelangt. Nächster Halt: Vorhersehbares Ende.

Abschließendes Fazit zu The Boss Baby:

The Boss Baby, Sie machen vieles richtig, doch um in einer Liga mit den ganz Großen des Genres zu spielen, fehlt Ihnen die Konsequenz. Die visuelle Verspieltheit, der grandiose Cast und die satirischen Anspielungen auf das Arbeitsleben der Erwachsenen machen Ihren Film zu einem überaus unterhaltsamen Abenteuer. Doch während Sie und Ihr Kollege Tim uns immer mehr ans Herz wachsen und aus der anfänglichen Rivalität Geschwisterliebe entsteht, fallen Dramaturgie und Handlung leider in allzu konventionelle Muster.

So lange Sie zweideutig bleiben, unsere Fantasie anregen und die Tür zu einer hochspannenden zweiten Deutungsebene offenlassen, so lange schaffen Sie es, uns zu begeistern. Doch je mehr Zeit vergeht, desto mehr driftet Ihr Plot in absurde Gefilde, jeglicher Interpretationsspielraum verpufft und am Ende bleibt nur noch eine sympathische Geschichte mit jeder Menge verschenktem Potential. Es ist, als hätten Sie uns einen Lolli geschenkt, um Ihn uns bald darauf wieder zu entreißen. Ich bitte Sie, Boss Baby, trauen Sie sich bei Ihrem nächsten Film mehr zu. Sie sind kreativ, kompetent und haben alles, was es braucht, um in der obersten Liga mitzuspielen. Stützen Sie sich nicht zu sehr auf Altbewährtes, sondern vertrauen Sie auf Ihre individuellen Stärken. Sollten Sie dies beherzigen, winkt Ihnen schon bald die Beförderung.

Bilder: The Boss Baby © Twentieth Century Fox


Oscar-Chancen von The Boss Baby:

Die Chancen für The Boss Baby auf eine Nominierung in der Kategorie Bester animierter Spielfilm sind eher schlecht. Kommerziell war das starbesetzte Familienabenteuer zwar ein voller Erfolg, doch die Kritiken fielen eher durchwachsen aus. Eine große Unbekannte stellt die Änderung des Regelwerkes da. Bei den Oscars 2018 dürfen alle circa 7.000 Academy-Mitglieder für den Besten animierten Spielfilm stimmen, vorausgesetzt sie haben einen ausreichenden Teil der eingereichten Filme gesehen. Früher war dies ein Privileg der Animations- und Kurzfilm-Abteilungen. Eine Nominierung für The Boss Baby möchte ich auch aus diesem Grund nicht ausschließen, zu den Favoriten zählt der Film jedoch nicht.

Was haltet ihr von The Boss Baby?

=> Infos & Handlung zu The Boss Baby

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