Sofia Coppolas Die Verführten ist eine kurzes, knackiges Kammerspiel, poetisch inszeniert und überzeugend gespielt. Lest hier, ob es auch Chancen auf einen Oscar hat.
Kurzkritik zu Die Verführten:
Ich hatte nicht viel von Die Verführten erwartet, wurde dafür aber umso mehr überrascht. Sofia Coppola beweist, dass 90 Minuten, eine Hand voll Charaktere und ein paar Räume ausreichen, um eine fesselnde Geschichte zu erzählen. Wir befinden uns im amerikanischen Bürgerkrieg. Ein konföderierter Soldat namens John landet in einem Mädcheninternat in den Südstaaten. Er wurde am Bein verwundet und die Schulleiterin Miss Martha pflegt ihn. Obwohl John ans Bett gefesselt ist, schafft er es, die Mädchen und Frauen zu verführen und sie gegeneinander auszuspielen.
Eine der großen Stärken des Films ist der herausragende Cast. Colin Farrell ist selbst in körperlicher Ohnmacht noch charismatisch genug ist, ein ganzes Haus voller Frauen um den Finger zu wickeln. Die Verführten selbst, Nicole Kidman als strenge Schulleiterin und Kirsten Dunst als deren Hilfskraft Edwina, schaffen es die innere Hin- und Hergerissenheit ihrer Charaktere wunderbar nach außen zu transportieren. Einerseits hegen sie ein gesundes Misstrauen gegenüber dem Soldaten, andererseits ist Männerbesuch sehr selten und John schmiert ihnen bei jeder Gelegenheit Honig ums Maul. Untermalt von poetischen Bilden und einem subtilen Score, knistert die Spannung erwartungsfreudig vor sich hin. Dann kommt es zur Katastrophe und das Narrativ macht eine 180-Grad-Wendung.
Johns wahres Ich zeigt sich, die Situation eskaliert und der Soldat möchte den Haushalt nun mit Gewalt unter seine Kontrolle bringen. Es deutet sich ein fulminantes Finale an, welches die Erwartungen allerdings nicht ganz erfüllt. Insgesamt ist Die Verführten dennoch ein sehenswertes Kammerspiel, welches wohltuend reduziert daherkommt. Sofia Coppola schafft es in 90 Minuten eine Geschichte zu erzählen, die andere Filmemacher wohl auf zwei Stunden aufgebläht hätten. Die Verführten ist keiner der absoluten Top-Filme des Jahres, hat mich aber über die volle Laufzeit bestens unterhalten. Ich wünschte, mehr Filme würden so pointiert zur Sache kommen.
Bild: Die Verführten © Universal Pictures
Oscar-Chancen von Die Verführten:
Sofia Coppola ist eine von nur vier Regisseurinnen, die bisher für einen Regie-Oscar nominiert waren. Für Lost in Translation war sie 2004 zusätzlich als Produzentin und Autorin im Rennen, für das Drehbuch gewann sie den Preis sogar. Mit Die Verführten wird sich dieses Kunststück allerdings nicht wiederholen lassen. Dafür kam der Film einfach nicht gut genug an. Für das adaptierte Drehbuch scheidet Coppola jedenfalls aus, weil die einzige afroamerikanische Figur aus der Vorlage in ihrem Film nicht auftaucht und sie somit den Vorwurf des Whitewashing auf sich gezogen hat. Das könnte ihr auch in der Kategorie Beste Regie schaden. Schade, denn als eine der angesehensten Regisseurinnen Hollywoods hätte sie ohne diesen Vorwurf vielleicht etwas reißen können. Vor allem da sie bei den Filmfestspielen in Cannes als zweite Frau überhaupt (und erste Frau seit 56 Jahren) den Preis für die Beste Regie bekam.
Die Kategorie, in der Die Verführten am meisten Chancen hat, ist Bestes Kostümdesign. Historische Dramen haben da generell recht gute Karten. Eine Nominierung ist also durchaus drin. Für einen Sieg wird es denke ich nicht reichen, da vor allem Der seidene Faden mit seiner Thematik und Die Schöne und das Biest mit seiner liebevollen Umsetzung der Kostüme aus dem Zeichentrick-Klassiker die Nase vorn haben dürften.