Dunkirk mit Kenneth Branagh

Dunkirk | Kurzkritik & Oscar-Chancen

Gerne würde ich in die Lobeshymnen zu Christopher Nolans Dunkirk einstimmen, doch selten hat mich ein Kriegsfilm so kalt gelassen. Bei den Oscars wird er dennoch abräumen.

Ich habe mich lange davor gedrückt, eine Kritik zu Dunkirk zu schreiben. Schließlich macht es mir viel mehr Spaß, Filme zu besprechen, die mir gefallen. Dunkirk hingegen ist für mich die Kino-Enttäuschung des Jahres. Vielleicht waren meine Erwartungen als Nolan-Fanboy einfach zu hoch, als ich erfuhr, dass er sich an eines meiner Lieblingsgenres herantraut. Ein Kriegsfilm aus der Feder des Regisseurs von The Dark Knight und Interstellar? Ich konnte es kaum erwarten. Doch die Ernüchterung war groß. Nicht weil Nolan in seinem neuesten Film so viel falsch macht. Im Gegenteil: Er macht verdammt viel richtig. Doch mein einziger echter Kritikpunkt ist so gravierend, dass er mir den kompletten Film verdirbt. Welcher das ist, werde ich nun in meiner revolutionären, noch nie dagewesenen, in drei Akte unterschiedlicher Länge gegliederten Kurzkritik erklären.

Dunkirk als Kriegsfilm – Ein Absatz

Christopher Nolan setzt auf potemkinsche Inszenierung. Alles was am Krieg hässlich ist, wird ausgeblendet. Wenn Tom Hardy über den funkelnden Wogen des Meeres dem Sonnenuntergang entgegenfliegt, muss das in den Film. Wenn aber ein Haufen Briten in einem sinkenden Schiff elendig ertrinken, hält Nolan uns im entscheidenden Moment die Hand vor die Augen. Soldaten in Dunkirk bluten nicht und leiden nicht. Sie sind keine Menschen, sondern Requisiten. Wie Elem Klimow in seinem Antikriegs-Klassiker Komm und sieh möchte Nolan das Geschehen nicht kommentieren, sondern es dem Zuschauer erlebbar machen. Doch wo Klimow brilliert, scheitert Nolan. Denn während Ersterer uns mit dreckigem Elend und schonungsloser Gewalt immer tiefer in die Verzweiflung jagt, ist bei Nolan alles auf Hochglanz poliert. Während die Allierten vor den Deutschen in Deckung gehen, bombadiert uns der Regisseur mit Postkarten-Motiven. So leid es mir tut: Als Kriegsfilm kann ich Dunkirk nicht ernst nehmen.

Dunkirk als Arthouse-Blockbuster – Ein Satz

Selten bekommt ein Regisseur so viel Geld in die Hand, um seine künstlerische Vision so präzise umsetzen zu dürfen, was Dunkirk zu einem ganz besonderen und wichtigen Film macht, unabhängig davon, ober einem gefällt oder nicht.

Dunkirk als technisches Spektakel – Ein Wort

Bombastisch.

 


Bilder: Dunkirk © Warner Bros.


Oscar-Chancen:

Dunkirk wird bei den Oscars ein ganz heißer Kandidat in vielen Kategorien sein. Gerade aus technischer und handwerklicher Sicht ist Nolans neuestes Werk ein Meisterstück. Die größten Chancen dürfte er wohl in den Kategorien Bester Ton und Tonschnitt haben, wo Kriegsfilme traditionell sehr gut abschneiden. Auch die hochgelobte Filmmusik von Hans Zimmer dürfte relativ sicher dabei sein, wenn nicht sogar gewinnen. Der Strand von Dünkirchen bietet aber nicht nur Highlights für die Ohren, sondern auch für die Augen. Eine Nominierung für den Kameramann ist sehr wahrscheinlich, ebenso dürfen sich die Szenenbildner Hoffnung machen. In der Kategorie Beste visuelle Effekte wird es spannend sein, wie die zuständige Abteilung der Academy Dunkirk bewertet. Andere Filme haben deutlich mehr in diesem Bereich vorzuzeigen, während Nolan CGI nur sparsam, aber sehr wirkungsvoll einsetzt.

All das unterstreicht den Status von Christopher Nolan als einen der Favoriten für den Regie-Oscar und macht Dunkirk ebenso zum Kandidaten für den Besten Film. Letzteres ist eine wichtige Voraussetzung für die Kategorie Bester Schnitt, wo Dunkirk aufgrund der komplexen Verflechtung seiner Zeitstränge sicher als Favorit ins Rennen geht. Für das Beste Originaldrehbuch käme Nolan sicher auch in Frage, eine Nominierung für Mark Rylance als Bester Nebendarsteller ist auch nicht vollständig auszuschließen.

Müsste ich jetzt (Stand: 18.12.2017) schon meine Tipps abgeben, würde ich auf Siege in den Kategorien Bester Schnitt, Bester Ton, Bester Tonschnitt und Beste Filmmusik setzen. Außerdem halte ich Nominierungen für Bester Film, Beste Regie, Beste Kamera, Bestes Szenenbild und Beste visuelle Effekte für sehr wahrscheinlich. Insgesamt käme der Film damit auf neun Nominierungen und vier Oscars.

=> Infos & Handlung zu Dunkirk

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