In Greatest Showman schlüpft Hugh Jackman in die Rolle des Zirkuspioniers P.T. Barnum. Lest hier, ob das Musical mehr ist als nur Show und ob es Chancen bei den Oscars hat.
Zornig stürmt eine bärtige Frau, umringt von ihren geächteten Freunden Richtung Kamera, schmettert dabei mit göttlicher Stimmgewalt „This Is Me“ auf die Leinwand und deutet darauf hin, was Greatest Showman hätte sein können. Ein Film für Randgestalten, für alle, die von der Gesellschaft verstoßen werden, nur weil sie nicht der Norm entsprechen. Doch entweder möchte Greatest Showman keine Botschaft vermitteln oder scheitert beim Versuch auf spektakuläre Art und Weise.
Es ist das Spielfilmdebüt des noch unbekannten Michael Gracey, der ansonsten bei Musikvideos Regie führt und hier eine Geschichte präsentiert, die sich Jenny Bicks aus den Fingern saugte. Die hat immerhin für ihre Arbeit an Sex and the City bereits einen Emmy gewonnen. Dazu stößt dann noch Bill Condon, der letztes Jahr als Regisseur von Die Schöne und das Biest seine Musical-Expertise unter Beweis stellte und das Drehbuch für Greatest Showman mitgestaltete. Soviel zu den kreativen Köpfen hinter dem Film, doch worum geht es eigentlich?
Die „wahre“ Geschichte hinter Greatest Showman
Hauptfigur ist Phineas Taylor Barnum (kurz: P.T. Barnum), der im 19. Jahrhundert das Zirkusgeschäft zwar nicht erfand, aber auf eine völlig neue Stufe hob. Er ist eine höchst kontroverse Persönlichkeit, da er die Massen gezielt beschwindelte und er Menschen mit ungewöhnlichen körperlichen Merkmalen dem Hohn und Spott des Publikums aussetzte. Einige halten ihn deshalb für einen kühl berechnenden Geschäftsmann, andere sehen in ihm einen Philanthropen, der den Menschen einfach nur ein Lächeln ins Gesicht zaubern wollte. Den wahren Hintergrund von Greatest Showman könnt ihr aber getrost vergessen. Wie History vs. Hollywood aufzeigt, orientiert sich die Handlung nur sehr lose an den realen Geschehnissen. Große Teile sind frei erfunden, weshalb wir uns von dem Gedanken lösen sollten, dass uns der Film hier in irgendeiner Form Wahrheiten präsentiert.

Nun halte ich es zumindest für fragwürdig, einer umstrittenen Person wie P.T. Barnum ein filmisches Denkmal zu setzen, in dem seine Geschichte so derartig verfälscht wird. Zwar taucht er nicht nur als strahlender Held auf und zeigt auch ein paar unsympathische Charakterzüge, doch der echte P.T. Barnum hätte sich über diesen Imagefilm sicherlich gefreut. Letzenendes ist bei einem Musical die Realität aber sowieso ein sehr fragiles Konstrukt, das immer wieder durch spontane Gesangseinlagen eingerissen wird. Die Frage sollte also nicht sein, ob Greatest Showman ein gutes Biopic ist, sondern ob der Film als Musical etwas taugt.
Eine großartige Show
Rein oberflächlich betrachtet ist Greatest Showman ein gelungener Film. Also mal abgesehen von so katastrophalen CGI-Effekten, wie ich sie lange nicht mehr bei einer Hollywood-Produktion dieser Größenordnung gesehen habe. Hier wundert es mich schon, wie stolz Michael Gracey darauf ist, dass er die visuellen Effekte selbst gemacht hat. Aber ansonsten stimmt die Verpackung. Aufwendige Kostüme, actionreiche Choreographien und jede Menge toller Songs. Wenn Hugh Jackman und Zac Efron sich in einer herrlichen Barszene musikalisch duellieren und ihre Kehlen dabei mit ordentlich Schnaps befeuchten, dann macht das wirklich Laune. Was Greatest Showman nämlich kann, sind fantastische Songs, präsentiert von talentierten Schauspielern, denen die Leidenschaft für ihr Handwerk geradezu aus jeder Faser ihres Körpers strahlt.
Leider ist das auch schon alles, was der Film zu bieten hat. Anders als bei einem La La Land, wo die Songs dazu dienen, einer an sich schon bedeutungsvollen Geschichte etwas mehr Pep zu verleihen, steht bei Greatest Showman die Show im Vordergrund. Die Autoren hatten wohl unglaubliche Lust auf ein Musical mit tollen Gesangs- und Tanzeinlagen, aber die Handlung drumherum wirkt wie liebloses Beiwerk. Hektisch erzählt, reiht sich ein Konflikt an den nächsten, immer unterstützt von der sofortigen Auflösung. Immer dann, wenn es mal dramatisch werden könnte, sorgt der nächste Song bereits für Harmonie. Ein emotionaler Zugang ist so kaum möglich.

Alles nur Humbug
Die Thematik rund um einen Zirkus voller Außenseiter hätte eine Menge hergegeben. Hier wäre die Chance dagewesen, Figuren ins Scheinwerferlicht zu stellen, die ihr Dasein sonst im Schatten fristen. Lasst euch vom Song „This Is Me“ nicht täuschen. Der restliche Film torperdiert die Botschaft dieses zugegebenermaßen ergreifenden Stücks mit einer Ignoranz, die selbst Teil des Problems ist. Von all den kuriosen Figuren ist die bärtige Sängerin Lettie die einzige mit einem Hauch von Charakter. Der Kleinwüchsige Tom dient stereotypisch als Witzfigur, darf sich aber wenigstens darüber freuen, eine Sprechrolle zu haben. Die meisten seiner Kollegen gehen stattdessen vollkommen leer aus. Dabei sind das doch genau diejenigen, die den Film zu etwas Besonderem hätten machen können.
John Hurt hat uns bereits 1980 als Der Elefantenmensch gezeigt, wie viel innere Schönheit in einer äußerlich entstellten Person stecken kann. Wir lernen ihn kennen, er wird uns sympathisch und es macht uns krank, zu sehen, wie die Menschen mit ihm umgehen. Bei Greatest Showman erfahren wir nichts über die Verstoßenen. Wieso sollte man auch den „Freaks“ wertvolle Screentime geben, wenn man Hugh Jackman und Zac Efron hat? Die Kinobesucher wollen schließlich attraktive Menschen auf der Leinwand sehen. Auch der Versuch, uns die Liebesgeschichte zwischen Zac Efron und Zendaya als großen revolutionären Akt zu verkaufen, scheitert kläglich. Es hätte ja zur Abwechslung auch mal die bärtige Frau sein können, die ein Stück vom Kuchen der Liebe abbekommt. Aber das würde ja gesellschaftliche Konventionen in Frage stellen.
Wie bereits erwähnt, sind die musikalischen Einlagen hervorragend. Wem das für einen Kinobesuch reicht, dem will ich den Spaß nicht nehmen. Doch wer sich eine emotionale Geschichte mit Herz erhofft, die auch mal mit den üblichen Konventionen bricht, den muss ich hier leider enttäuschen. Greatest Showman ist wie eine Show von P.T. Barnum: spektakulär und unterhaltsam, aber alles in allem ein großer Schwindel.
Bilder: Greatest Showman © Fox
Oscar-Chancen von Greatest Showman:
In den großen Kategorien wird Greatest Showman kein Land sehen, dafür kommt er einfach nicht gut genug an. Bei den Golden Globes ist zwar sowohl der Film als auch Hauptdarsteller Hugh Jackman nominiert, allerdings nur weil dort Musicals und Komödien ihre eigenen Kategorien haben. Bei den Oscars hingegen dominieren für gewöhnlich Dramen.
In zwei Kategorien kann sich das Musical allerdings durchaus Hoffnungen machen. Ebenfalls bei den Globes nominiert ist nämlich der Song „This Is Me“, welcher auch bei den Oscars durchaus mitmischen könnte. Auf visueller Ebene könnten hingegen die Kostüme überzeugen. Historische Stoffe kommen in der Kategorie Bestes Kostümdesign generell gut an. Die ausgefallenen Outfits von P.T. Barnum und das Zirkusthema bringen zusätzliche Vielfalt in den Film und könnten eine Nominierung einbringen.
Für die Kategorie Beste Filmmusik gibt es schon jetzt keine Hoffnung mehr. Die Academy hat Greatest Showman nicht zum Wettbewerb zugelassen, da der Score fast ausschließlich aus einzelnen Songs besteht.